Wie denke ich über Kochen?
Von Patrick Ben Koetter
- 6 Minuten - 1275 WörterWo beginnt man, wenn man über das Kochen schreiben möchte? Und wo bitte endet man? Molekularküche? Regionales Essen? Bio? Vegan? Tierzucht? Die Geschichte der Menschheit? Fleisch und das Wachstum des Gehirns des homo sapiens? Hülsenfrüchte als Eiweisslieferanten? Die Fett-Lügen der amerikanischen Zuckerindustrie? (Spoiler: Der Zucker macht krank und nicht das Fett.) Oder warum ist Cola so süß? (Es ist so süß, damit man das viele Salz nicht schmeckt, welches beim Trinken durstig macht und zu noch mehr Cola-Konsum führt.) Muss ich vom verlorenen Vertrauen in die Nahrungsmittelidustrie reden? Von Profitgier? Von Verunsicherung bei Verbrauchern? Angst früher sterben zu müssen, weil der Körper systematisch mit schädlichen Inhalten belastet wird? Food-Esoterik? Zwanghaft gesunder Ernährung? Befriedete Erde. Echt jetzt?
Das hat nichts mehr mit Kochen zu tun, aber ich werde wahrscheinlich nicht umhin kommen das eine oder andere Randthema mit in das, was ich schreiben möchte, einzubeziehen. Also mal sehen wohin mich das Schreiben über das Kochen hintragen wird. Viel ist im Kopf und vieles will gesagt werden. Banal soll es nicht sein. Anspruch also auch noch! Und das wiederholen was Andere bereits gesagt haben? Wem wäre damit geholfen? Nein, ich möchte vielmehr vermitteln welchen Zugang ich zum Kochen habe. Denn offenbar habe ich einen anderen Zugang als viele Menschen mit denen ich mich über Kochen austausche. Und mein Eindruck ist mittlerweile es ist diese Art über Kochen und die Zubereitung von Essen zu denken, welche regelmäßig dafür sorgt, dass meine Gäste meine Kochkünste so loben.
Zutaten
Die Rezepte können es nicht sein. Die sind uns allen zugänglich. Zutaten? „Du kannst mit schlechten Zutaten kein gutes Essen zu bereiten.“ Das unterschreibe ich. Aber gute Zutaten sind jetzt auch nicht meine secret sauce. Gute Zutaten kann im Grunde jeder einsetzen. Und ich rede hier nicht von irgendwelchem Beluga-Kaviar, den man nur bei Vollmond herstellen darf und für den man sein Haus verpfänden muss. Nein, ich rede von Kartoffeln, die nicht einfach Biomasse sind, sondern einen eigenen, markanten Geschmack haben. Von Gurken, die bitter sind und bitter waren bevor ihnen die Bitterkeit weggezüchtet wurde, weil man mit geschmacklich unauffälligen Nahrungsmitteln den mainstream besser trifft und so mehr verkauft und umsetzt. „Vorsicht! Es hat einen eigenen Geschmack!“ Willkommen im Einheitsbrei und in der Langweile des Alltags. Geschmackssinn
Ein gebildeter Geschmackssinn ist wichtig. Ohne das Wissen um den Geschmack einer Zutat kann ich nicht kochen. Ich kann nicht erkennen, was zueinander passt. Ich kann nicht erkennen wann ein Gericht fertig ist. Denn ich habe keine Vorstellung vom Geschmack des gesamten Gerichtes. Geschmackssinn entwickeln braucht Zeit. Und Mut! Und viel Humor. Gott, habe ich viele Dinge gekostet, die ich nicht mag. Aber ich weiß es wenigstens. Meine Kinder übrigens auch, weil wir alles mindestens einmal gekostet haben und wenn es dann nicht geschmeckt hat, dann war das in Ordnung. Ich kenne viele Menschen, die Gechmäcker ablehnen, weil sie in ihrer Kindheit nicht an diese herangeführt wurden.
Kochtechnik
Und ich kenne viele Menschen, die Speisen ablehnen, weil sie diese nie richtig zubereitet serviert bekommen haben. Mit Wasser vollgesogene Semmelknödel, weil zu wenig Ei im Teig und das Kochwasser nach dem Einlegen der Knödel nicht schnell genug wieder auf Kochtemperatur war. Weiche Bratkartoffeln, weil die Kartoffeln aus dem Kochtopf feucht in die Pfanne kamen und dort dann so eng nebeneinander lagen, dass sie sich beim Braten gegenseitig mit austretendem Wasser bedampft haben. Oder der berühmte erste Pfannkuchen, der immer nie was wird…
Grundlegende Kenntnisse von Chemie, Physik und Kochtechnik. So wichtig für ein wirklich befriedigendes Erlebnis! Und, nein! Ich rede nicht von Molekularküche, die mir oft das Gefühl vermittelt sie sei elitär, ignorant und ich müsste einen Doktor in Chemie mein Eigen nennen. (Im Grunde wie Konzeptkunst. Kann man machen, berührt mich aber nicht.) Ich meine die Basics! Dinge, die so offentlichtlich sind, wenn sie dir einmal bewusst gemacht wurden.
Kochgeräte
Das kleine Messer mit dem du z. B. die Haut von Zwiebeln und Knoblauch abziehst besitzt einen Kunststoffgriff und die Klinge ist aus Blech. Und jedes Mal wenn du Gemüse putzt rutscht der Griff in deiner Hand? Zwiebeln fein schneiden macht gar keinen Spaß, weil die Klinge sich biegt? Abgsehen davon, dass das Ding ständig stumpf ist…
Ist es möglich, dass du nie darüber nachgedacht hast stattdessen eines mit Kirschholzgriff und Stahlklinge zu kaufen und / oder dir die € 15 Preisunterschied das Geld nicht wert waren? Wie lange hast du dieses Messer schon? 5 Jahre? Also gut 1.500 Tage lang? Teil die € 15 mal durch die Dauer. Oder liegt es daran, dass das Messer mit Holzgriff nicht in die Spülmaschine darf?
Und wie ist das mit der Pfanne? Ist es wirklich erforderlich € 100 für eine beschichtete Pfanne auszugeben oder ist die für € 30 nicht gar die bessere, weil eine Beschichtung nicht erforderlich ist wenn du weißt wie du die Pfanne erhitzen musst. Und der Metallgriff an der günstigen Pfanne macht diese sogar noch vielseitiger, weil du sie bei Bedarf in das Backrohr stellen kannst, ohne dass dir anschließend der Kunststoffgriff entgegengeflossen kommt.
Wie muss Kochgeschirr beschaffen sein wenn du auf einem Kochfeld, einem Ceran-Feld, einem Induktionsfeld oder einem Gasherd kochst? Wie dick sollte der Boden der Pfanne sein?
Gutes und geeignetes Werkzeug entscheidet über die Freude, die wir beim Kochen haben, weil mit dem richtigen alles einfacher vonstatten geht und weil wir so mehr Kontrolle über das Endergebnis haben. Es macht mehr Spaß, geht schneller und es schmeckt besser.
Sensorische Prinzipien
Gustatorische Wahrnehmung! (Ich wollte Geschmacksrichtungen schreiben und dann meinte Wikipedia der richtige Begriff sei Gustatorische Wahrnehmung. Yikes! Essen ist so etwas Sinnliches und da kommen sie mit dem Begriff Gustatorische Wahrnehmung an.) Im Grunde gibt es fünf unterschiedliche gustatorische Sinneseindrücke. Wer sie kennt und versteht welche Sinneseindrücke sich gut kombinieren lassen, der kann aus einer wilden Mischung von Zutaten, welche offensichtlich gar nicht zusammen passen, ein wohlschmeckendes Gericht bereiten, weil er nicht in Zutaten, sondern in Sinneseindrücken denkt.
Lust und Neugierde
Wer gustatorische Wahrnehmung verstanden und einsetzen gelernt hat, ist nicht mehr an Rezepte gebunden, weil das Rezepten zugrundliegende Prinzip verstanden wurde. Genau entlang dieser Linie beginnt für mich Kochen. Der Weg dorthin mag kompliziert und mühsam wirken, aber er ist es nicht. Im Grunde geht es vor allem darum all das zu verlernen, was einem so lange eingetrichtert wurde. Ganz vorne mit dabei sind Kochbücher! Seitenweise Rezepte. Listen mit Zutaten und irgendwo am Ende steht dann auch Salz.
Salz ist ein gutes Beispiel dafür um darzustellen, dass Zutaten und eine Reihenfolge ihrer Zubereitung kein Garant für ein wohlschmeckendes Essen sind. Schon mal bewusst darüber nachgedacht, dass Steinsalz viel anders schmeckt als Meersalz? Oder dass Steinsalz aus dem Himalaya viel milder schmeckt als das sehr intensive (lies: salzige) Salz aus den Bergen bei Bad Reichenhall? Was bedeutet es also, wenn im Rezept von einem halben Teelöffel Salz die Rede ist? Und um dem Ganzen den Rest zu geben: steht da auch was (!) wann (!) gesalzen werden soll?
Auch wenn bei mir Zuhause gefühlt 5 Festmeter Kochbücher rumstehen: ich werde erst jenseits des Rezeptes neugierig. Da möchte ich wissen ob das da mit dem da zusammen geht. Ich sage es gleich vorneweg, damit hier nicht der falsche Eindruck entsteht: eine Idee ist kein Garant für ein wohlschmeckendes Gericht. Aber der erste Wurf ist ein Haltepunkt und von dort aus kann ich mich dann weiter vorantasten. Fehlt was? Bräuchte es mehr von …? Warte mal, ich hole mal … und mach das dran! Ja, das ist schon viel besser, aber jetzt schmeckt man … nicht mehr so heraus. Also noch mal anders …
Genau darum soll es hier gehen. Das Feld ist nun abgesteckt. Der Rahmen gegeben. Ab jetzt geht es ans Eingemachte. Demnächst mehr hier in diesem Kino. ;-)